
Klärungshilfe bei Konflikten in Unternehmen
Klärungshilfe bei Konflikten im Unternehmen: Ein Praxisbeispiel aus der systemischen Arbeit
In vielen Organisationen gehören Konflikte zum Alltag – doch manche Spannungen entwickeln eine Eigendynamik, die Teams, Führungskräfte und letztlich die gesamte Unternehmenskultur stark belasten. In diesem Artikel zeige ich anhand eines realen Falls aus der Praxis, wie Klärungshilfe im Unternehmenskontext wirksam zur Lösung beitragen kann – insbesondere, wenn klassische Führungsinstrumente an ihre Grenzen stoßen.
Der Auslöser: Wenn Führung nicht mehr ausreicht
Eine stille, aber zugewandte Führungskraft – Frau A – leitet nach einer Fusion die Querschnittsabteilung einer Bank. Als sich die Spannungen im Team zuspitzen, bittet sie um Unterstützung: Klärungshilfe in Form einer begleiteten Konfliktklärung mit dem gesamten Team.
Ihre Schilderungen lassen auf eine eskalierte Situation schließen:
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- Feindselige, aufgeladene Arbeitsatmosphäre
- Lautstarke Auseinandersetzungen und sogar Werfen von Gegenständen
- Kommunikationsverweigerung zwischen einzelnen Teammitgliedern
- Lagerbildung, gegenseitiges Anschwärzen und Ausgrenzung
- Egoismen und destruktives Verhalten auf Kosten der Zusammenarbeit
Obwohl die formale Teamintegration zunächst funktionierte, verschärfte sich das anfangs harmlose „Fremdeln“ zunehmend. Die Ursache? Zwei unterschiedliche Unternehmenskulturen und eine ungelöste Führungsthematik.
Die verdeckte Dynamik: Macht, Verletzungen und Loyalitäten
Ein zentraler Konfliktherd war die neue Führungsstruktur. Frau A übernahm die Leitung – nicht aber Herr B, der zuvor das halbe Team geführt hatte. Diese Entscheidung wurde vom Vorstand nicht kommentiert – was Raum für Spekulationen und Kränkungen ließ.
Während Frau A betonte, dass sie mit fast allen Mitarbeitenden einen guten Draht habe, blieb das Verhältnis zu Herrn B schwierig. Die Spannung zwischen den beiden – gepaart mit der emotionalen Aufladung im Team – führte zu einer kaum kontrollierbaren Dynamik.
Vorgespräche und Vorbereitung auf die Klärungshilfe
Trotz anfänglicher Skepsis wurden vor der eigentlichen Klärungshilfe zahlreiche Einzelgespräche mit Mitarbeitenden geführt. Dabei traten weitere Konfliktlinien und emotionale Belastungen zutage:
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- Tiefe Verzweiflung und Angst vor der Zukunft
- Sorge vor körperlichen Auseinandersetzungen
- Unverarbeitete Verletzungen und Kränkungen
- Hoher Wunsch nach Veränderung – gepaart mit Angst vor der Klärung selbst
Die Erkenntnis: Der Bedarf an Klärung war enorm – aber auch die emotionale Belastung aller Beteiligten.
Die Wirkung der Klärungshilfe: Ein Raum für Wahrheit und Verständnis
Die mehrtägige Konfliktklärung war emotional intensiv und fordernd – aber sie wirkte. Mithilfe von Methoden aus der systemischen Beratung und der Klärungshilfe wurde ein Raum geschaffen, in dem Wahrheit ausgesprochen, Emotionen benannt und gegenseitiges Verstehen möglich wurden.
Zentrale Erkenntnisse:
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- Herr B fühlte sich übergangen und in seiner früher hoch geschätzten Arbeitsweise nicht mehr gesehen – eine Kränkung, die ihn blockierte.
- Frau A erlebte sich machtlos gegenüber Herrn B, obwohl sie formal die Leitung innehatte – faktisch jedoch untergraben wurde.
- Das Team steckte fest zwischen Loyalitäten, Mitgefühl und eigenen Verletzungen – und sehnte sich zugleich nach Klarheit und einer tragfähigen Zukunft.
Ergebnisse der Klärungshilfe: Von der Eskalation zur Aussöhnung
Durch die intensive Arbeit im Rahmen der Klärungshilfe konnten folgende Entwicklungen angestoßen werden:
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- Emotionale Entlastung und Beruhigung der Konfliktdynamik
- Echtes gegenseitiges Verständnis und neue Perspektiven
- Konkrete Vereinbarungen zur Zusammenarbeit
- Wiederherstellung von Vertrauen und Kommunikation
- Ein gemeinsames Bekenntnis zur Zukunft des Teams
Ein halbtägiges Follow-up vier Monate später stellte sicher, dass die vereinbarten Veränderungen auch nachhaltig wirken konnten.
Fazit: Klärungshilfe als Schlüssel zur Transformation
Klärungshilfe ist weit mehr als nur ein Werkzeug zur Konfliktlösung – sie schafft einen sicheren Raum für Wahrheit, Begegnung und Transformation. In hoch eskalierten Teamsituationen, in denen klassische Führung versagt oder überfordert ist, kann sie den entscheidenden Wendepunkt markieren.
In diesem Fall haben alle Beteiligten – insbesondere Frau A und ihr Team – enormen Mut und Herz gezeigt. Sie sind durch einen herausfordernden Prozess gegangen und haben sich mit sich selbst und miteinander auseinandergesetzt. Das Ergebnis: Klarheit, Verständnis und neue Handlungsfähigkeit.
Systemische Klärungshilfe wirkt. Dann, wenn der Mut zur Wahrheit da ist.
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